La Confluence – Eines der interessantesten Stadtentwicklungsprojekte Europas.
Das großartige historische Stadtzentrum von Lyon – auf einer Halbinsel zwischen Rhône und Saône liegend – kann auf eine über 2000-jährige Geschichte zurückblicken und genießt seit 1998 verdientermaßen UNESCO-Weltkulturerbestatus. Wer aber das aufregende Lyon der Gegenwart erleben möchte, der sollte sich in das neu entstehende Confluence-Viertel begeben. Nur unweit von den historischen Bauten und schicken Straßen und Plätzen der Altstadt entfernt, breitet sich auf der Südspitze der lang gezogenen Halbinsel, La Confluence genannt, eines der größten und interessantesten Stadtentwicklungsprojekte Europas aus.

Auf einer Fläche von über hundertfünfzig Hektar entsteht seit 2003 – in mehreren Projektphasen – ein Wohn- und Geschäftsviertel das dem Konzept der Smart City folgt. Die Vision der Planer und Projektverantwortlichen mit der Durchmischung von Nutzungen, dem Nebeneinander von Bestehendem und Neuem und dem Zusammenspiel von Gebäuden mit verschiedener Größe das ehemalige Retortenareal mit Leben zu füllen, kann als besonders geglückt und gelungen bezeichnet werden.

Die Liste der beteiligten namhaften Architekt:innen ist beeindruckend und liest sich wie das Who-is-Who der zeitgenössischen Architektur. So stammt unter anderem der Masterplan der zweiten Projektphase (auf der östlichen, der Rhône zugewandten Seite der Halbinsel), die bis 2025 abgeschlossen sein soll, von den Stararchitekten Herzog & de Meuron. Damit soll auf dem ehemaligen Brachland eine Verdopplung der Innenstadtfläche erreicht werden, sowie leistbarer Lebensraum für bis zu 30.000 zusätzliche Bewohner und mehrere tausend Arbeitsplätze entstehen. Ein ambitioniertes Projekt, das den hohen Ansprüchen an nachhaltige und soziale Stadtplanung gerecht werden soll.

MUSÉE DES CONFLUENCES

Massig, eckig, fremdartig – wie ein dekonstruktivistisches Wesen – erhebt sich am Zusammenfluss von Rhône und Saône seit 2014 das neue Wahrzeichen von Lyon. Das von Coop Himmelb(l)au geplante „Musée des Confluences“ polarisiert die Gemüter, so wie alle Bauten der exzentrischen Architekturavantgardisten rund um Wolf D. Prix. Mit der funktionalen Dreiteilung – in Sockel, Kristall und Wolke (im typischen Coop Himmelb(l)au-Duktus)  – entstand ein furioses Gebilde aus Sichtbeton, Metall und Glas.

Die in Aluminium eingehüllte Wolke,  in der sich die eher nüchternen, aber effizienten Ausstellungsräume befinden, ruht auf Betonstützen und hebt sich deutlich vom Sockel ab. Der dadurch geschaffene öffentliche Raum mit zwei Wasserbassins dient als Ort des Verweilens und gibt den Blick frei zur Landspitze der Halbinsel. Im Beton-Sockel befinden sich unter anderem Auditorien, Garderoben und die Haustechnik.

Der als Kristall bezeichnete Baukörper, der die Eingangshalle formt, präsentiert sich als Feuerwerk an Formen aus Stahl und Glas.  Architektonisches Highlight – im wahrsten Sinne des Wortes – ist aber mit Sicherheit der raumverschwenderisch große Innenraum des Foyers mit seinem spektakulären Trichter, eine wirbelhaft wirkende Konstruktion, die die Stahlträger samt Glashaut bündelt.

Der außergewöhnliche, signalhafte Museumsbau mag nun gefallen oder verstören; nicht zuletzt wegen der Baugeschichte, die von Bauzeitverzögerungen und einer Vervielfachung der Baukosten gekennzeichnet war. Dessen ungeachtet kann das Gebäude in seiner eigentlichen Funktion als naturwissenschaftliches Museum überzeugen und gilt als Leuchtturm-Projekt für den neu entstehenden Stadtteil „La Confluence“. Ob sich allerdings mit dem Wissenstempel der sogenannte „Bilbao-Effekt“ – also die gezielte Aufwertung der Stadt durch ein spektakuläres Bauwerk – erzielen lässt, bleibt noch abzuwarten.

La Confluence – Lyon, France | Orts-Doku | Architekturfotografie © Alexander Brüll, 2022