CREATIVE STORY

Oculus – Kathedrale des Lichts

Oculus erhebt sich im Innenraum wie eine lichtdurchflutete Kathedrale und zaubert den Betrachtern Staunen ins Gesicht.
Am Ground Zero – dort wo Amerika in seiner jüngeren Geschichte am verwundbarsten war – wurde 2016 der vom spanisch-schweizerischen Stararchitekten Santiago Calatrava entworfene Bahnhof WTC Transportation Hub neu eröffnet. Unbestrittenes Highlight des außergewöhnlichen Bauwerks ist die „Oculus“ genannte, zentrale Haupthalle. Damit schuf der Meister der Brücken- und Bahnhofsarchitektur ein symbolhaftes Gebäude, das mit den für Calatrava so typischen skulpturalen Qualitäten glänzt.

In unmittelbarer Nähe zum 9/11 Memorial gelegen, erhebt sich die Glas-Stahl-Konstruktion wie eine Friedenstaube, wobei der originelle Entwurf durchaus Erinnerungen an ein Vogel- oder Dinosaurierskelett evoziert. Die organisch-futuristische Architektur polarisiert – so wie bei allen Bauten Calatravas. Dennoch kann der oberirdisch liegende Bauteil mit seiner filigranen, spielerisch wirkenden Leichtigkeit überzeugen und bildet so einen spannenden Kontrapunkt zu den angrenzenden, eher konventionell gehaltenen Hochhaus-Glasfassaden.

Das Ausrufezeichen setzt jedoch der ovale, sakral wirkende Innenraum, der in etwa die Größe eines Fußballfeldes einnimmt. Die freistehende Struktur, die ohne Stützen auskommt, zaubert den allermeisten Besuchern beim erstmaligen Anblick  ein ehrfürchtiges Staunen ins Gesicht. Calatrava – nicht nur Architekt, sondern auch Künstler und Illusionist – schuf hier eine Kathedrale des Lichts. Die emporstrebenden Stahlflügel werden an der Decke von einem Lichtspalt unterbrochen, der den Blick in den Himmel freigibt und der dem Gebäude schließlich seinen charakteristischen Namen gab.

Das Bauprojekt sah sich aber auch herber Kritik ausgesetzt, aufgrund einer mehrjährigen Bauzeitverzögerung und durch die Verdopplung der Baukosten – auf fast 4 Milliarden Dollar. 12.500 Tonnen Stahl und weißer europäischer Marmor haben das Gebäude zum teuersten Bahnhof der Welt gemacht. Die Stimmen jener, die das Gebäude als Symbol der Verschwendung betrachten, waren laut und zahlreich.

Doch bei aller Kritik: Oculus zählt bereits heute zu den beliebtesten und meistbesuchten Wahrzeichen in der Architektur-Metropole. Darüber hinaus nimmt der Bahnhof auf seinen unterschiedlichen Ebenen täglich mehr als 200.000 Reisende auf. Mit dem kühnen, sphärischen Bau entstand ein spektakuläres Monument. Ein Symbol des Friedens und der Hoffnung.

Oculus – World Trade Center Transportation Hub, New York City | Projekt-Reportage | Architekturfotografie © Alexander Brüll, 2018